Matthias Görner

Haushaltsmisere: Schlimmer als befürchtet!

Fraktionsstellungnahme aus der Turmbergrundschau vom 04.06.2020

Haushaltsmisere: Schlimmer als befürchtet!

Während auf europäischer Ebene die Weichen für ein erneutes Hilfsprogramm in der Größenordnung von 500 Mrd. € zugunsten der südlichen EU-Länder gestellt werden und sich Deutschland ohne großes Zögern mit 135 Mrd. € daran beteiligen möchte, stehen hierzulande die Kommunen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Eingezwängt in eine politisch verordnete Aufgabenfülle, steigende Erwartungshaltung der Einwohner und explodierende Kosten für Erhalt der Infrastruktur waren die meisten Kommunen schon vor Beginn der Corona Krise kaum mehr in der Lage, dringende Investitionen ohne Kreditaufnahme zu finanzieren. Wie dies nun in Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs geschehen soll, vermag niemand zu sagen. Die Wohlstandsverluste auf kommunaler Ebene sind mittlerweile deutlich sichtbar und machen auch vor Weingarten nicht Halt.

Lockeres Straßenpflaster im oberen Teil der Bahnhofstraße oder Baugebiet Bruch-Östlich, tief ausgefahrene Spurrillen in der Friedrich-Wilhelm-Straße, Schulunterricht in provisorischen „modularen Einheiten“ und Wartelisten für Kinderbetreuung in zeitlich befristeten Dauerlösungen sind nur die äußeren Anzeichen eines Finanzdesasters, das noch tiefer und weiter als befürchtet um sich gegriffen hat. Die jüngste Haushaltsverfügung des Landratsamts macht es amtlich: Weingarten hat die Obergrenze der Neuverschuldung erreicht und kann ohne Vermögensveräußerung seine dauerhafte Leistungsfähigkeit nicht mehr gewährleisten.

Der am 31. März beschlossene Haushaltsplan enthält zwar einige darstellungs- und buchungstechnische Fehler, dennoch griffe es zu kurz, die versagte Genehmigung nun dem Rechnungsamt anzulasten. Bereits in ihrer Stellungnahme bei der Haushaltsverabschiedung betonte die WBB ausdrücklich die Gesamtverantwortung von Gemeinderat und Bürgermeister für sämtliche politischen Weichenstellungen und deren finanzielle Auswirkungen und forderte wiederholt eine Konzeption zur Konsolidierung unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit sämtlicher Einwohner.

Auch wenn die WBB-Fraktion seit Jahren vergeblich auf das krasse Missverhältnis von Finanzkraft und selbstverordnetem Arbeitsprogramm hinweist, die Berücksichtigung der Folgekosten von Investitionsentscheidungen anmahnt, auf die Erstellung von Rechenschaftsberichten und Schlussabrechnungen drängt und regelmäßige Gebührenanpassungen einfordert, wird sie bei der Erstellung des nun „unverzüglich zu erlassenden“ Nachtragshaushalts konstruktiv mitarbeiten. Solange jedoch die Notrufe der Städte und Gemeinden in Berlin kein Gehör finden und stattdessen andere Schwerpunktsetzungen erfolgen, wird die gewünschte „Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa“ vor allem in eine Richtung erfolgen: Nach unten.