Die Standortsuche für die Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber gehört mit Sicherheit nicht zu den Lieblingsaufgaben von Bürgermeistern und Gemeinderäten. Willkommenskultur hin, Willkommenskultur her, egal wo man als gewählter Vertreter auf der Übersichtskarte einer Gemeinde eine Nadel platziert und ein mögliches Grundstück markiert ist, ist mit Einwänden von Anwohnern zu rechnen, die um den Wiederverkaufswert ihrer Immobilie oder ihre persönliche Sicherheit bangen oder die einfach einer Veränderung ihres vertrauten Wohnumfelds ablehnend gegenüberstehen. Dementsprechend groß ist daher die Verlockung, die Beratungen über die Standortauswahl diskret fernab der Wählerinnen und Wähler abzuhalten, eine Vorgehensweise , die den Grundzügen der Gemeindeordnung widerspricht, soll doch der politische Willensbildungsprozess für alle Bürgerinnen und Bürger transparent und nachvollziehbar sein.
Natürlich sind auch Verwaltung und Gemeinderat in Weingarten dieser süßen Versuchung erlegen. Irgendwann jedoch kommt es zum Schwur, und man steht als gewählter Vertreter vor dem Dilemma, eine unpopuläre Entscheidung nach außen vertreten zu müssen. Die mit dieser Offenbarung verbundenen Schmerzen waren mehr als deutlich in der Sitzung des Gemeinderates am 21. Juli von einem interessierten Publikum zu beobachten. Während eine anfangs knappe, später solide Mehrheit der Ratsmitglieder aufgrund einer exponentiell ansteigenden Zahl von Flüchtlingen aus Krisengebieten eine Beschlussfassung vor der Sommerpause und auch vor der anberaumten Informationsveranstaltung der Gemeinde favorisierte, verfolgte die CDU-Fraktion das politische Ziel, die Abstimmung erst nach der für den 28. Juli in der Walzbachhalle geplanten Bürgerversammlung durchzuführen.
Dieser vorgeschlagenen Linie wollte im Endeffekt keine der anderen im Gemeinderat vertretenen Fraktionen folgen. Sowohl aufgrund des immensen auf den Gemeinden lastenden zeitlichen Drucks als auch aus Gründen der politischen Aufrichtigkeit befürwortete die WBB gemeinsam mit der Grünen Liste, der FDP und letztendlich auch der SPD eine sofortige Abstimmung. Nachdem die Konsensfindung schon sehr weit gediehen war erschien es der WBB ehrlicher, den Beschluss umgehend zu fassen und die Ergebnisse den Bürgern vorzustellen als die Bürger nur pro forma einzubeziehen und erst nach einem Informationsabend eine Abstimmung durchzuführen, über deren Ergebnis man sich schon vorab verständigt hatte – schließlich gibt die CDU in einem Beitrag auf ihrer Homepage (hier nachzulesen) selbst zu, dass der Bürgerinformationsabend „am Ergebnis voraussichtlich nicht mehr viel ändern werde“.
Fazit: Die WBB hat erkannt, dass Vorberatungen abseits der Öffentlichkeit die politische Kultur schädigen. Sie hat in der Vergangenheit und wird auch in Zukunft wieder verstärkt ihr Augenmerk auf die Einhaltung der Vorgaben der Gemeindeordnung richten. Ziel aller Beteiligten soll es sein, den Willensbildungsprozess transparent zu gestalten, oder, wie es heute im politischen Jargon heißt, „die Bürger mitzunehmen“. Geschieht dies jedoch nur zum Schein, sehen am Ende sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch deren Vertreter – ziemlich mitgenommen aus.