Soll ein Bürgerentscheid zum Parkraumkonzept rechtswidrige Zustände wiederherstellen?
WBB fordert Schutz für Minderheiten und schwächere Verkehrsteilnehmer
Bekanntermaßen – und vielfach auch öffentlich erklärt – wurden zahlreiche Kommunen, so auch die Gemeinde Weingarten, von übergeordneten Behörden aufgefordert, auf ihren Straßen wieder rechtskonforme Zustände gemäß der Straßenverkehrsordnung (StVO) herzustellen.
Jahrzehntelanges Dulden, Ignorieren und Wegschauen hat – bei stetig steigender Zahl zugelassener Fahrzeuge – zu Auswüchsen im ruhenden Verkehr geführt, die für schwächere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, aber auch aus Gründen der Gefahrenabwehr (Stichwort: Feuerwehr) und der Ver- und Entsorgung nicht länger hinnehmbar sind.
Der Gemeinderat hatte deshalb bereits 2019 ein Mobilitätskonzept beauftragt. Die Grundzüge des heutigen Parkraumkonzepts wurden im Frühjahr 2022 mit einem einstimmigen Beschluss des Gemeinderats bestätigt.
Alle Einzelbeschlüsse zu Straßen und Quartieren erfolgten ausschließlich auf Grundlage der StVO.
Man war sich fraktionsübergreifend einig, dass eine „Positivmarkierung“ aller legalen Stellplätze die Verkehrssicherheit erhöht und insbesondere auch dem Vollzugsdienst klare Orientierung bietet.
Ein weiterer Faktor für den hohen Parkdruck ist, dass öffentliche, kostenfreie Stellplätze in aller Regel stärker genutzt werden als private Stellplätze, Höfe oder Tiefgaragen, die baurechtlich zur Verfügung stehen. Studien und Erhebungen zeigen, dass auf privaten Grundstücken häufig erheblicher Parkraum ungenutzt bleibt. Daraus ergibt sich: Der Parkdruck entsteht nicht nur durch Fahrzeugzahlen, sondern auch durch die Verteilung und Nutzung vorhandener Stellplätze. Eine gezielte Planung kann helfen, öffentliche Stellflächen effizient zu nutzen, ohne dass private Parkmöglichkeiten ungenutzt bleiben.
Nun fordert eine Initiative aus der Waldbrücke einen Bürgerentscheid, mit dem Ziel, das Mobilitätskonzept und damit diese rechtskonformen Zustände wieder rückgängig zu machen – nach dem Motto „Freie Fahrt für freie Bürger?“
Aber worüber soll hier eigentlich abgestimmt werden?
Über die Einhaltung der StVO?
Über die Duldung von Gehwegparken?
Oder gar über das schon immer verbotene Parken außerhalb markierter Flächen im verkehrsberuhigten Bereich?
Dass die Initiative über die Einhaltung geltenden Rechts abstimmen lassen möchte, stimmt nachdenklich und wird – wie im Leserbrief gefordert – sicher auch im Gemeinderat aufmerksam registriert.
Ist es wirklich im Sinne einer demokratischen Gemeinschaft, wenn Mehrheiten über Minderheiten bestimmen?
Denn wer ist hier betroffen? Menschen mit Rollatoren, Rollstuhlfahrende, Eltern mit Kinderwagen – all jene, die nicht „einfach ausweichen“ können. Und weil es glücklicherweise selten brennt, ist die Passierbarkeit für Einsatzfahrzeuge offenbar für manche zweitrangig.
Der Gemeinderat handelt nicht aus persönlichem Vorteil, sondern im Interesse der Allgemeinheit – und gerade auch derjenigen, die keine große Lobby haben.
Zudem gilt:
Ein Bürgerentscheid darf sich nur auf Angelegenheiten der Gemeinde beziehen (§ 21 GemO BW), und auch nur, soweit sie zur kommunalen Selbstverwaltung gehören. Das Straßenverkehrsrecht ist jedoch keine Selbstverwaltungsaufgabe, sondern eine übertragene staatliche Aufgabe.
Ein Bürgerentscheid, der faktisch auf rechtswidrige Zustände hinausliefe, wäre nach unserer Einschätzung sehr wahrscheinlich rechtlich unzulässig.
Am Ende bleibt die einfache Frage:
Soll tatsächlich darüber abgestimmt werden, ob wir geltendes Recht einhalten oder ignorieren wollen?